Bleibt immer wachsam!

Wallner 1466

Im Rahmen der Demokratieerziehung an der Nardini-Realschule besuchte Herr Fritz Wallner aus Schierling am 7.7.25 die zehnten Klassen der Nardini-Realschule. Im Gepäck hatte er ...

 

seine  Veröffentlichung „Tod nach Aktenlage“, das Ergebnis seiner über zweijährigen Recherchen zum gewaltsamen Tod seiner Verwandten Theres Wallner, welche dem Euthanasie-Programm des Nazi-Regimes zum Opfer fiel. In seinem Vortrag zeichnete er anhand von erhaltenen Dokumenten den Leidensweg der jungen Frau nach. An Theres Wallner erinnert heute in Schierling am Rathaus der einzige Stolperstein, der im Landkreis Regensburg verlegt wurde.

Propaganda und Aufstieg der Nazis

Therese Wallner wurde 1891 geboren und war die Cousine von Herrn Wallners Vater. Während heute unsere in der Verfassung garantierten Grundrechte die Voraussetzung für ein freiheitliches und demokratisches Zusammenleben bilden, zählte zu Theres Wallners Lebzeiten das nationalsozialistische Diktum des „lebensunwerten“ Lebens, das „ausgemerzt“ werden darf. Diese seit dem Ersten Weltkrieg salonfähige Propaganda, die der Gesellschaft einreden soll, dass Behinderte und Arbeitsunfähige zu viel Geld kosten und deshalb vernichtet werden müssen, wird mit Hitlers Machtergreifung grausame Realität.

Die Bevölkerung, deren Leben vor allem auf dem Land von harter Arbeit, Existenzangst und schwierigen Bedingungen geprägt war, bringt Adolf Hitler, der mit dem Versprechen antritt, für Arbeit und Einkommen zu sorgen, viel Sympathie entgegen. Dass er bereits in „Mein Kampf“ 1920 behinderten Menschen das Recht auf Leben abspricht, findet wenig Beachtung, die Bewältigung des Alltags ist schwierig genug und Hitler nutzt die vorhandene Unzufriedenheit, um das Volk aufzuwiegeln. In Schierling begrüßen Lehrer, Bürgermeister, Lokalprominenz und Vereine mit Fackelzügen das Erstarken der Nazis, wie Herr Wallner mit alten Aufnahmen belegen kann. Sein eigener Großvater, welcher bis kurz vorher das Amt des Bürgermeisters bekleidete,  trat 1931 zurück, da er nicht in die Partei eintreten wollte und Herr Wallner betont, dass er sehr dankbar sei, jemanden in der Familie gehabt zu haben, der mit diesen Verbrechern keine gemeinsame Sache machen wollte.

Das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten sieht schon 1929 die Beseitigung der Schwächsten zur „Kräftesteigerung der Nation“ vor und es gelingt Hitler, indem er die „enormen Kosten“ der Kranken für die „Volksgemeinschaft“ betont, die Stimmung weiter aufzuheizen. Die Zustimmungswerte zur NSDAP steigen rasant, 1933 erhalten die Nazis, bei einer Wahlbeteiligung von 88,7%, 43,9% der Stimmen.  Nun geht es Schlag auf Schlag, 1933 wird mit dem Ermächtigungsgesetz das Land an den Diktator ausgeliefert. Hitler erlässt das „Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses“, anschließend werden 400.000 beeinträchtigte Menschen sterilisiert. Am Reichsparteitag 1935 wird der Beschluss gefasst, unheilbar Geisteskranke zu beseitigen und 1939 wird mit dem „Euthanasie-Erlaß“ ihr Schicksal besiegelt. Insgesamt sind in der Zeit des Nationalsozialismus 200.000 Menschen als „lebensunwertes Leben“ diesem Wahnsinn zum Opfer gefallen.

 Die Geschichte von Theres Wallner

Theres Wallner lebte auf der Obermühle in der Nähe von Schierling und wuchs in einer großen Familie mit sechs Kindern auf. Harte Arbeit bestimmte auch hier den Alltag und sicherlich gab es wenig Raum für Aufmerksamkeit oder Problembewältigung. Theres fällt auf, als sie mit Einsetzen der ersten Menstruation anfallsartige Verwirrungszustände, Todesangst und Aggressionen gegen die Eltern entwickelt. Inwieweit diese Zustände durch mangelnde Aufklärung über die Vorgänge im Körper, die allgemeine Tabuisierung der Sexualität und die Vorstellung einer „Unreinheit“ der Frau hervorgerufen wurden, oder ob möglicherweise Missbrauchserfahrungen eine Rolle spielten, kann heute nicht mehr rekonstruiert werden.

Die Eltern sind überfordert und lassen Theres Wallner 1914 in die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen einliefern. Dort wird ohne weitere Untersuchungen eine Geisteskrankheit diagnostiziert, jedoch keine Therapie begonnen, sondern eine „Aufbewahrung“ in der Anstalt verordnet. Die Eltern schreiben noch Briefe, die Mutter versucht, ihre Tochter 1917 abzuholen, doch Therese flieht am Bahnhof, da sie offensichtlich nicht nach Hause zurück möchte. Sie verbringt insgesamt fast dreißig Jahre in Mainkofen und wird 1934 nach Regensburg ins Karthaus-Prüll überstellt.

Vernichtung nach Aktenlage

Mit Beginn des Krieges 1939 wird beschlossen, „unheilbar Kranken den Gnadentod zu gewähren“ und mit der Aktion T4 beginnt der gezielte Massenmord an behinderten Menschen. Die Heilanstalten werden aufgefordert, Todeslisten zu erstellen, die Ärzte in Regensburg jedoch weigern sich. Doch auch dies rettet die Patienten nicht, denn nun werden T4 Gutachter eingesetzt, welche in einer beispiellosen, willkürlichen Auswahl „nach Aktenlage“, also ohne Untersuchung oder Begutachtung, über Leben und Tod der Anstaltsinsassen entscheiden.

Therese Wallner wird mit 641 weiteren Kranken aus Regensburg nach Hartheim in Österreich gebracht und stirbt dort am 4.11.1940 in der Gaskammer. Unter dem Vorwand, sie müssten duschen, leisten die ahnungs- und hilflosen Patienten meist keinen Widerstand. Den im Todeskampf ineinander verkrallten Leichen werden die Goldzähne ausgebrochen, die Körper noch am selben Tag im Krematorium verbrannt. Übrige Knochen zermahlt man, die restliche Asche wird in die Donau geworfen oder vergraben. Die Eltern von Theres Wallner erhielten ein Schreiben, in dem als erfundene Todesursache Sepsis vermerkt war, und wurden aufgefordert, die Urne abzuholen. Nachdem dies geschehen war, verliert sich jedoch ihre Spur. Bis heute ist der Verbleib der Urne unklar. Wahrscheinlich fürchtete die Familie neben der „Schande“, eine geisteskranke Tochter zu haben, die nun umgebracht worden war, eine weitere Stigmatisierung durch die von der Kirche verbotene Einäscherung.

Widerspruch aus der katholischen Kirche

Eine der wenigen mahnenden Stimmen, die sich dem entsetzlichen Verbrechen der Nazis entgegenstellte, war Bischof Clemens Graf von Galen, der die Ermordung der Kranken und Behinderten offen kritisierte. In einer Predigt 1941 fand er deutliche Worte: „Hast du, habe ich nur solange das Recht zu leben, solange wir produktiv sind, solange wir von anderen als produktiv anerkannt werden? Wenn man diesen Grundsatz aufstellt und anwendet, […], dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden.“ Tatsächlich befürchtete Adolf Hitler nach diesen Positionierungen von kirchlicher Seite Widerstände und ließ im August 1941 die „Aktion T4“ einstellen.

Heute, 85 Jahre nach dem Mord, erinnert noch der Stolperstein, der 2010 auf dem Schierlinger Rathausplatz verlegt wurde, an Therese Wallner. Er soll uns allen eine Mahnung sein und mit dem dringenden Appell, sich nicht von Demagogen und scheinbar einfachen Lösungen verführen zu lassen, beendet Fritz Wallner seinen eindringlichen und aufwühlenden Vortrag. Dass sein Aufruf auf fruchtbaren Boden gefallen ist, sieht man in der nachfolgenden Diskussion, wo die Mädchen Fragen zu seinen Recherchen und seiner Familiengeschichte stellen. Der Wert von Demokratie und Rechtstaatlichkeit – gerade auch in unserer heutigen Zeit –  ist noch einmal sehr deutlich geworden, die Botschaft ist angekommen: „Bleibt immer wachsam!“

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