Zeit heilt keine Wunden
Zeitzeuge Ernst Grube an der Nardini-Realschule
Am 24.6.25 besuchte Herr Ernst Grube die beiden 9. Klassen der Nardini-Realschule. Er ist einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die die Schrecken des nationalsozialistischen Regimes am eigenen Leib erfahren haben.
Der Landrat von Straubing-Bogen, Herr Josef Laumer, seine Vertreter, Frau Altweck-Glöbl und Herr Krempl, sowie die Kreisräte Dr. Kirchinger, Dr. Waas und Herr Wellenhofer waren der Einladung gefolgt. Die schwierige weltpolitische Lage mit Kriegen in Europa und im Nahen Osten verunsichern viele Jugendliche. Zudem sind sie in den sozialen Medien ungefiltert der Einflussnahme antidemokratischer Gruppierungen ausgesetzt. Aus diesem Grund sieht es die Nardini-Realschule als wichtige Aufgabe, Stellung zu beziehen und ein Zeichen gegen Extremismus und Diskriminierung zu setzen. Direktor Dambacher begrüßte mit einem Aufruf des verstorbenen Papsts Franziskus, den Menschen am Rande der Gesellschaft zu helfen. Damit waren nicht nur Arme, Behinderte und Flüchtlinge gemeint, sondern alle Gruppen, die in einer Gesellschaft unterdrückt werden. Herr Grube kann aus eigener Erfahrung von der Diskriminierung und Vernichtung einer dieser Gruppen, der Juden, berichten. Diese Erfahrung ist auch heute höchst aktuell und was Herrn Grube vor über 80 Jahren passiert ist, kann jedem von uns passieren, wenn Grundrechte oder Menschenleben nicht mehr zählen.
Diskriminierung und Deportation
Der Leidensweg der Geschwister Grube, die als „Halbjuden“ gelten, beginnt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Die Familie verliert ihre Wohnung und die Geschwister kommen in ein jüdisches Kinderheim. Sie durften nicht zur Schule gehen, keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen und wurden auf der Straße als „Saujuden“ beschimpft. Hinzu kam die Anweisung, einen Judenstern zu tragen. Mit Kriegsbeginn 1939 wurden die Münchner Juden ins Ghetto und später in Konzentrationslager deportiert – auch Kinder aus dem Kinderheim. Die Geschwister Grube überleben und kommen zurück zu den Eltern. Da der Vater arbeitete und die Mutter Zwangsarbeit leisten musste, war es die Aufgabe von Ernst Grube einkaufen zu gehen – mit Judenstern und Lebensmittelkarten, auf welchen vieles gestrichen war. Doch damit nicht genug, kommt im Februar 1945 der Deportationsbefehl für Mutter und Kinder. Sie werden nach Theresienstadt gebracht, im völlig überbelegten Lager herrschen katastrophale hygienische Verhältnisse, Hunger und ständige Angst.
Sozialpolitisches Engagement
Die Hoffnung Ernst Grubes, nach der Befreiung am 8. Mai 1945 seine Geschichte erzählen zu dürfen, wird enttäuscht. Er wurde nach dem Krieg Berufsschullehrer und begann politisch zu arbeiten. Lange Jahre war er unter anderem Präsident der Lagergemeinschaft Dachau und im Beirat des NS-Dokumentationszentrums in München. Für sein großes sozialpolitisches Engagement wurde er vielfältig ausgezeichnet - 2021 Bürgerpreis Demokratie, 2022 Ehrenbürgerwürde der Stadt München. Bis heute ist er trotz seines hohen Alters viel an Schulen unterwegs, denn Zeit heilt keine Wunden – so der Titel eines Comics über seine bewegte Lebensgeschichte – doch dadurch, dass Herr Grube seine Geschichte erzählt, bleibt die Hoffnung, dass sich niemals wiederholt, was ihm als Kind widerfahren ist.